Null-Acht-Fünfzehn

Der folgende Text erschien gestern im Seetalerbote. Auf Grund der erneut limitierten Internet Verbindung aber erst heute auf dem Blog.

La Venta, Honduras, 36km nordöstlich der Hauptstadt Tegucigalpa an einem Dienstag Morgen um 08.15. Leicht verärgert über die langsame Internet Verbindung sitze ich vor meinem Notebook und suche nach der Ursache des Problems. Schnell wird klar, dass der Internet-Zugang via Satellit vom Provider für den ganzen Tag limitiert wurde. Dies weil am Vortag die verbindliche Limite der Datenmenge überschritten wurde.

Plötzlich geht der Monitor vor meinen Augen aus und nach einem kurzen flackern hüllt sich auch der übrige Raum in Dunkelheit. Überrascht schaue ich mich um. Die meisten Geräte sind verstummt. Das Display meines batteriebetriebenen Notebooks ist faktisch die einzige verbliebene Lichtquelle.

Ein piepsendes Geräusch durchbricht die Stille und wiederholt sich in regelmässigen Abständen. Es stammt von einem kleinen Gerät am anderen Ende des Raums welches damit auf den aktuellen Batteriebetrieb aufmerksam macht. Dank der kleinen unterbrechungsfreien Stromversorgungseinheit kann der Energiebedarf der wichtigsten Geräte im Raum zumindest für einige Minuten sichergestellt werden.

Ich stehe auf und laufe ein wenig herum. Auch in den anderen Räumen des Administrationsgebäudes herrscht eine nahezu gespenstische Dunkelheit. Kurz vor dem Ausgang treffe ich auf meine Bürokollegen. Gemeinsam beobachten wir durch das Fenster wie der Stromgenerator draussen neben der Trafo Station in Betrieb genommen wird. Nach zwei erfolglosen Versuchen nimmt das Aggregat seinen Betrieb auf und das Licht erstrahlt von neuem durch die Räume.

5 Minuten später ist das Motorengeräusch im Hintergrund der einzige Unterschied zu vorher und ich widme mich wieder den Informatik-Problemen. Später erfahre ich, dass es sich anscheinend um einen geplanten Stromausfall handelte. Wie viele Leute davon betroffen waren kann ich nicht beziffern. Doch auch hier auf dem Land läuft ohne Strom nicht wirklich viel. Egal ob Kühlschrank oder Fräsmaschine – alles stand still. Der Ort wurde für ein paar Stunden noch stiller als er es sonst schon ist.

Ein paar Tage später mitten in der Hauptstadt Tegucigalpa. Nach einigen Stunden in der von der Sonne aufgeheizten Stadt wollen wir uns eine kleine Abkühlung beschaffen. Mein Kollege will sich im Eiscafé um die Ecke etwas kühlendes besorgen. Als er mit leeren Händen zurückkommt und wir in komisch anschauen meint er nur: „kein Strom“. Wir gehen also weiter und finden schliesslich das gewünschte ein paar Strassen weiter. Anschliessend besuchen wir den Supermarkt für ein paar letzte Besorgungen. Während wir zwischen den Regalen umher irren geht auch hier plötzlich das Licht aus. Mit improvisierten Taschenlampen finden wir schliesslich den gewünschten Tee.

An der Kasse hat sich mittlerweile eine grosse Schlange gebildet und das vertraute Piepen der Barcodescanner erklingt nur noch sporadisch. Nach 10 Minuten warten entschliesst sich die Kundin vor uns es bei einer anderen Kasse zu probieren. Wir tun es ihr gleich. Doch auch dort hat die Verkäuferin offensichtlich mit dem System zu kämpfen. Während wir warten flackert das Licht begleitet von Motorengeräusch kurz auf um gleich wieder auszugehen. Am Ende gelingt es das System in Gang zu setzen und wir können unseren Einkauf erfolgreich beenden.

In La Venta fliesst der Strom 9 Stunden später wieder durch die Leitungen und der Generator wartet still auf seine nächsten Einsatz. Die Erfahrung zeigt, dass dieser nicht lange auf sich warten lässt. Erst beim Schreiben dieses Textes fällt mir auf, dass der Zeitpunkt des Stromausfalls in La Venta um 0815 den Umstand von anderen Standards in diesem Land auf eine sehr schöne Art und Weise versinnbildlicht. Null-Acht-Fünfzehn in Honduras ist in Europa alles andere als normal.

Für mich haben die dauernden Stromausfälle eher einen unterhaltenden, manchmal etwas verärgernden Charakter. Doch für das Land und seine Volkswirtschaft sind Notstromaggregate nur Pflaster auf eine schmerzende Wunde.

_Text Seetalerbote vom 21. Januar 2010_

Geschrieben am 22.01.2010 von villosoph

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