Der Zirkus ist da

Noch einmal müssen die Leser des Seetalerboten mein Geschreibe ertragen.

Ein Zirkus war wohl so ziemlich das Letzte, womit ich in La Venta rechnete. Trotzdem kam einer zum Monatswechsel ins Dorf. Im Vorbeigehen erfuhren wir, dass er rund einen Monat hier bleiben würde und jeden Abend um 19 Uhr eine Vorstellung gibt. So beschlossen wir, eines schönen Sonntagabends dieser Attraktion unsere Aufwartung zu machen. Da wir uns inzwischen an die honduranischen Zeitangaben gewöhnt hatten, tranken wir um 19 Uhr erst noch gemütlich
einen Tee. Anschliessend machten wir uns auf einem Umweg in den Dorfladen auf in Richtung Zirkus.

Auf dem Platz angekommen, präsentierte sich uns ein aus alten Werbeblachen gefertigter Sichtschutz, der das Gelände vor neugierigen und zahlungsunwilligen Gästen schützen sollte. Durch ein kleines Loch in dieser Wand tauschten wir je 20 Lempiras (etwa ein Franken) gegen ein Ticket. Am drei Schritte entfernten
Eingang wurden unsere eben erst erstandenen Tickets auf kunstvolle Weise mit einer Schere entwertet. Auf die Frage, wann die Vorstellung beginnen würde, meinte der junge Mann: „Nach 20 Uhr oder wenn alle Plätze belegt sind.“

Im Innern gab es dann tatsächlich so etwas wie eine Arena. Die Manege war durch einen kleinen Metallzaun markiert, und der Erdboden darin teilweise mit Teppichen belegt. In der Mitte prangte ein hoher, mit Seilen abgespannter Mast, an dem auch ein Trapez hing. Das „Orchester“ wurde durch grosse Lautsprecher im Heck eines Jeeps ersetzt. Sicherheitstechnisch bedenklich und unbequem war die hölzerne Tribünenkonstruktion rund um die Manege.

Nachdem der Speaker über längere Zeit erfolglos versucht hatte, noch weitere Gäste ins Zelt ohne Dach zu locken, begann die Vorstellung schliesslich um 20.30 Uhr. Die anerkennenden Pfiffe zum ersten Auftritt von drei jungen Tänzerinnen bezogen sich wohl eher auf deren Aussehen und die leichte Bekleidung denn auf die Darbietung. Im Folgenden wurden die Nummern von Einzelauftritten der drei unterbrochen, um das Publikum bei Laune zu halten. Dies war
auch notwendig angesichts der Qualität der Darbietungen. Einzige Ausnahme war ein Balancierkünstler. Dieser schaffte es problemlos, Bierflaschen, schwere Eisenstangen und sogar ein massives, fünf Meter langes Holzbrett mit seinem Kinn zu balancieren. Beim anschliessenden Gartenstuhl wollte ihm dies allerdings nicht mehr ganz gelingen.

Die langen Dialoge der Clowns enthielten nicht sonderlich viel Komik, was nicht nur an meinen mangelnden Spanischkenntnissen lag. Hingegen gab es einen lustigen Moment, als eine Darstellerin sich nach dem Auftritt mit ihrem Säugling auf die Tribüne setzte und zu stillen begann. Anschliessend installierte sie die Mikrowelle direkt neben der Manege und verkaufte die gerade hergestellten Popcorn während der Vorstellung an die Zuschauer. Technische Pannen der Beleuchtung und Stolperfallen der Mikrofonkabel sorgten für weitere Schmunzler. Das installierte Trapez kam dagegen überhaupt nicht
zum Einsatz. Fazit: Wenn man sich im honduranischen Zirkus gut unterhält, muss das nicht unbedingt an den Darbietungen liegen.

Geschrieben am 25.03.2010 von villosoph

RSS Feed

Alle Beiträge als RSS Newsfeed abonnieren