Die Bäckerei

Und wieder wurde ein Text von mir auf die Leser des Seetalerboten losgelassen.

Soviel vornweg: Die Bananen- und Tortilla-Republik Honduras hat keine grosse Brotkultur. Die Bäckereien im Land produzieren primär Süsswaren. Das sonstige Angebot beschränkt sich faktisch auf Toastbrot und weiche Baguettes. Trotzdem – oder gerade deswegen – will das Bildungszentrum hier in Nuevo Amanecer seinen Schülern neu auch die Grundlagen der Bäckerkunst näher bringen. Dies als Ersatz für die mangels Nachfrage eingestellten Ausbildungen im Bereich Näherei und Schreinerei. Bzw. als Ergänzung zu den Angeboten in den Bereichen Industriemechanik, Schweissen, Informatik sowie Coiffeur und Kosmetik.

Logischerweise braucht es dafür nebst motivierten Schülern und Lehrkräften auch noch eine entsprechende Infrastruktur. Um diese nicht komplett neu beschaffen zu müssen, liefen schon seit längerem Verhandlungen mit einem Hilfswerk aus den USA. Dieses Hilfswerk hatte nach dem Hurricane Mitch 1998 in Honduras mehrere Bäckereien ausgestattet. Die teure Ausrüstung wurde aber kaum benutzt und wartet seither auf bessere Zeiten. Kurz nach meiner Ankunft konnten die Verhandlungen zur Übernahme einer solchen Bäckereiausstattung erfolgreich abgeschlossen werden. Wenig später machten sich die Mitarbeiter von Nuevo Amanecer auf, um einen ersten Teil der Ware abzuholen. Die Fahrt mit dem LKW in den Westen des Landes dauert ca. 14 Stunden und macht dies zu einer mehrtägigen Aktion.

Glücklicherweise lief alles gut und entsprechend gross war die Freude beim Eintreffen des Materials. Bald zeigten sich aber auch erste Überraschungen. Die Ausstattung entsprach nämlich nicht zu 100% einer Bäckerei, sondern enthielt auch Elemente einer Grossküche. Dazu gehören auch eine Vielzahl von Öfen die auf Grund von Grösse und Menge kaum in den vorgesehenen Ausbildungsraum passen resp. wertvollen Platz belegen. Doch sie einfach einzulagern oder anderweitig einzusetzen, würde dem Wunsch der Spender widersprechen. Schliesslich erwarten die Spender eine aktive Nutzung ihrer Ware durch die Schüler. Eine Lösung für dieses Problem wurde noch nicht gefunden. Doch für Honduraner ist das noch lange kein Grund sich Sorgen zu machen. Wenig später folgte eine weitere Reise zur Abholung von zusätzlichem Material. Der Aufwand für den Transport liegt möglicherweise über dem Preis für die Neuanschaffung. Doch darüber zu diskutieren, macht aus den gleichen Gründen keinen Sinn. Das Beispiel zeigt: Projekte wie Nuevo Amanecer sind klar auf Spenden angewiesen. Doch manchmal ist es nicht nur teuer etwas zu verschenken, sondern auch etwas geschenkt zu bekommen.

Während man noch mit verhandlungstechnischen und logistischen Fragen beschäftigt war, hat die eigentliche Bäckerausbildung aber bereits Anfang Januar begonnen. Honduranische Improvisation erlaubt es, die Ausbildung der Bäcker mit dem Grundkurs der eigentlich aufgegebenen Näherei zu beginnen. Die Fachkraft zur Ausbildung der Bäcker wurde ohnehin vom früheren Nähkurs übernommen. Statt Mehl zu Brot zu verarbeiten, sind die zukünftigen Bäckerinnen und Bäcker also zurzeit noch mit Nadel und Faden beschäftigt. Doch in Honduras ist das noch lange kein Anlass den Faden zu verlieren.

Geschrieben am 25.02.2010 von villosoph

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