Abschluss

nach meinen ganzen Berichten gab es nun noch ein Interview mit mir im Seetalerboten.

Am Gründonnerstag sind Sie in Zürich-Kloten gelandet. Schildern Sie uns doch die prägendsten Eindrücke Ihrer Zeit in Honduras.

A.V.: Besonderen Eindruck hat bei mir die Tatsache hinterlassen, dass in Honduras zwischen Ober- und Unterschicht enorm grosse Unterschiede bestehen. Dieses riesige Gefälle wird bei einem Bummel durch die Stadt sichtbar. Hier ein Einkaufszentrum mit Boutiquen und Geschäften, die im auch für uns hohen Preissegment tätig sind, und wenige hundert Meter daneben die Blechhütten des armen Honduraners, der womöglich keinen Job hat. In der Schule selbst hat mich überrascht, wie wenig an Infrastruktur dort notwendig ist, um einen Schulbetrieb zu unterhalten. Ein Zimmer, einige Stühle – damit ist die Schulstube fertig.

Gibt es etwas, was Sie besonders gefreut oder speziell beelendet hat?

A.V.: Gefreut hat mich, dass in Honduras sehr wenig geraucht wird. Das ganze Repertoire an Drogen, Suchtmitteln und Alkoholmissbrauch
gibt es auch in Honduras, aber Zigaretten sieht man verhältnismässig wenig. Und dies trotz des relativ günstigen Preises. Schlimm dagegen ist der Umgang der Einheimischen mit dem Abfall. Da fliegt grundsätzlich alles auf die Strasse. Und wenn der Abfallberg einmal zu hoch wächst, fackelt ihn jemand auf offener Strasse ab.

Wo lagen die grössten Hürden, die Sie für Ihre Arbeit nehmen mussten?

A.V.: Sprachlich konnte ich mich mit Spanisch, Englisch, Händen und Füssen verständigen. Da kam mir entgegen, dass die Honduraner ein offenes und entgegenkommendes Volk sind. Direkt für meine Arbeit, den Aufbau der Website www.ana.hn, war die langsame Internet-Verbindung ein Problem. Stromausfälle und Staub machen zudem die Arbeit an und mit der Computertechnik nicht wirklich einfach. Wenn beim Aufsetzen eines Servers ausgerechnet beim wichtigsten Schritt der Strom ausfällt, dann ist das ärgerlich und bremst natürlich den Arbeitsrhythmus. Da war auch eine ziemliche Portion Improvisation gefragt.

Sie waren drei Monate in Mittelamerika. Wie schwer fällt der Wiedereinstieg in das Leben hier?

A.V.: Viel Zeit für die Angewöhnung bleibt nicht. Am 6. April geht es bei meinem Arbeitgeber in Emmen wieder los. Gewöhnungsbedürftig sind ganz alltägliche Dinge. Ich kann den Wasserhahn aufdrehen und es fliesst warmes Wasser. Ich drücke auf den
Schalter und es brennt Licht. Ich muss zum Duschen nicht mehr aus dem Haus gehen. Die Preise sind höher, Pünktlichkeit ist wieder gefragt und die Züge und Busse fahren nach Fahrplan. In Honduras ist die Uhr überflüssig. Auch die Essgewohnheiten sind anders.

War vielleicht gerade das Miterleben von Einfachheit eine Art Horizonterweiterung für Sie?

A.V.: Auf jeden Fall, ja. Zu sehen, dass es viel einfacher geht, dass die Menschen mit weniger zufrieden sind, das war eindrücklich. Und wenn etwas beispielsweise wegen des ausgefallenen Stromnetzes nicht erledigt werden kann, wird die Arbeit auf morgen verschoben. Darüber regt sich niemand auf. Die Horizonterweiterung lag darin zu sehen, wie wenig es für das Leben eigentlich brauchen würde. Die Verarbeitung des Erlebten aber ist noch immer im Gang. Ich muss im Laufe der Zeit für mich feststellen, ob ich mich durch den Aufenthalt in Honduras verändert habe. Erfahrungen von anderen lassen zumindest vermuten, dass die Erfahrungen nicht spurlos an mir vorbeigegangen sind. Es wird spannend sein, mich selbst zu beobachten.

Was war der allererste Luxus, den Sie sich seit Gründonnerstag wieder geleistet haben?

A.V.: Es mag vielleicht komisch klingen, aber das Erste, was ich nach der Landung in Zürich gemacht habe, war, dass ich an einem Automaten eine Flasche Apfelschorle gekauft habe. In Honduras gibt es Cola und sämtliche sonst gängigen Softdrinks, aber einen
Apfelsaft habe ich vergebens gesucht.

Die Ernährung haben Sie vorhin schon angedeutet. Wo lagen denn dort die grundlegenden Unterschiede?

A.V.: Das Mittagessen für die Schüler besteht – und das nicht selten täglich – aus einer Packung Pommes Chips und einer Cola. Die Ernährung ist relativ ungesund und sehr stark durch die USA geprägt. Fastfood an jeder Ecke. Sämtliche grossen Ketten wie McDonalds, PizzaHut oder Kentucky Fried Chicken bilden richtige Essstrassen. Restaurants mit traditionell honduranischem Essen muss man hingegen
suchen. Zuhause bei den Einheimischen ist das natürlich ganz anders. Dort stehen Tortillas, die Koch-Bananen Platanos, Bohnen oder Avocados auf dem Menüplan. Ohne Fleisch, praktisch täglich Poulet, geht gar nichts. Selten Salat oder Gemüse. Und alles muss gebraten sein, sonst schmeckt es den Honduranern nicht.

Haben Sie neben den drei Monaten Urlaub auch eigenes Geld in Ihr Abenteuer investieren müssen?

A.V.: Essen und Unterkunft waren bezahlt und pro Monat habe ich ein Gehalt von ungefähr 100 US-Dollar bekommen. Ich bin aber nicht nach Honduras gereist, um dort Geld zu verdienen. Die Flugreise habe ich selbst bezahlt. Unter dem Strich habe ich rund 2500 Franken investiert. Es ist Geld abgeflossen, aber diese Investition hat sich absolut gelohnt.

Gibt es also eine Rückkehr nach Honduras, oder ist Ihre Arbeit beendet?

A.V.: An zu erledigender Arbeit würde es auch im IT-Bereich sicher nicht fehlen und ich könnte problemlos ein ganzes Jahr weiterarbeiten. Für mich selber ist kein weiterer Einsatz geplant. Ich schliesse aber einen solchen auch nicht aus. Sicher aber möchte ich in einigen Jahren schauen, wie sich die Schule entwickelt hat. Es läuft dort ein sehr dynamischer Prozess, es wird gebaut und ergänzt und das Projekt steht nicht still. Fix geplant ist aber noch nichts.

Interview geführt von Peter Gerber Plech

Geschrieben am 13.04.2010 von villosoph

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